Zahlungsverzüge bis hin zum letztlichen Forderungsausfall sind Symptome für die finanziellen Schwierigkeiten eines Unternehmens. Wenn tatsächlich vermehrt Forderungsausfälle eintreten, folgt nahezu unweigerlich die Insolvenz. Aus diesem Grund beobachtet Creditreform das Zahlungsverhalten deutscher Unternehmen übergreifend und publiziert es halbjährlich im DRD (Creditreform Debitorenregister Deutschland). Die Zahlen stammen von mehr als einer Million Unternehmen aus 1.160 Branchen.
Aktuelle Lage zur Zahlungsmoral
Im Winterhalbjahr 2022/23 ermittelte Creditreform mehr als 4,1 Millionen Rechnungen, deren Zahlungsziel überschritten wurde. Deren Gesamtvolumen beträgt 8,7 Milliarden Euro bei einem Belegvolumen von insgesamt 87,6 Milliarden Euro.
Etwa 10 % aller Rechnungen werden also verspätet bezahlt und drohen auszufallen. Die Fachleute von Creditreform ordnen den gegenwärtigen bedenklichen Umfang in ein krisenhaftes ökonomisch-politisches Umfeld ein, das mit dem Ukraine-Krieg begann, anschließend zu drastisch erhöhten Energiekosten und schließlich zu einer galoppierenden Inflation führte.
Inzwischen stellen Ökonomen „rezessive Tendenzen“ fest. Die Unternehmen sind von einem Bündel von Krisen betroffen, zu denen gestiegene Einkaufspreise und Bankzinsen sowie Einschränkungen durch Sanktionen gegen Russland und auch von Russland gegen westliche Partner gehören.
Ein Symptom für die Krise im Zahlungsverhalten ist die Dauer des Zahlungsverzugs: Er beträgt inzwischen 10,95 Tage, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es noch 9,97 Tage. Im langjährigen Vergleich ist der aktuelle Wert allerdings noch nicht als dramatisch zu betrachten, denn in den Jahren zwischen 2018 und 2020, mithin vor dem Ausbruch der Coronapandemie, hatte der Wert auch bei knapp 11 Tagen gelegen. Während der Coronapandemie ging er sogar leicht auf 9,79 Tage zurück, was der Krisenstimmung geschuldet war. In solchen Zeiten mahnen die Unternehmen ihre Außenstände deutlich forcierter an und schalten auch schneller ein Inkassounternehmen ein.
Branchenunterschiede beim Zahlungsverhalten
Unter allen Branchen ist im Baugewerbe das schlechteste Zahlungsverhalten festzustellen. Der Zahlungsverzug liegt hier bei 14,79 Tagen, was dennoch eine leichte Verbesserung gegenüber der letzten Messung im ersten Halbjahr 2022 ist. Eine Verschlechterung stellte Creditreform hingegen beim Großhandel fest, wo die Verzugsdauer von vorher 9,42 auf jetzt 10,67 Tage stieg.
Ebenfalls verschlechtert haben sich die persönlichen und unternehmensnahen Dienstleistungen. Die Rechnungssteller haben auf die neue Situation reagiert und tendieren mehrheitlich zu einer Vorverlegung ihrer Zahlungsziele auf durchschnittlich 29,8 Tage gegenüber 30,71 Tagen im Vorjahreszeitraum. Betroffen sind davon am stärksten die Chemiebranche und die unternehmensnahen Dienstleister: Deren Zulieferer haben ihre Zahlungsziele um 2,5 und 2,0 Tage gekürzt. Nach wie vor die knappsten Zahlungsziele verzeichnen die Erbringer von persönlichen Dienstleistungen mit 22,73 Tagen.
Gestiegene Forderungslaufzeit
Entscheidend für das Begleichen von Rechnungen ist die gesamte Forderungslaufzeit. Diese umfasst den Zeitraum von der Rechnungsstellung bis zum Eingang der Zahlung. Wenn es zum Verzug kommt, besteht diese Zeitspanne aus dem Zeitraum bis zu Zahlungsziel und dem anschließenden Verzug. Hier stellte Creditreform eine durchschnittliche Außenstandsdauer von 40,92 Tagen fest, die gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,61 Tage gestiegen ist. Dies ist das eindeutige Anzeichen einer handfesten Krise, so die Experten von Creditreform.